Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht – Wirksamkeitskriterien und grundsätzliche Erfordernisse
- a) Der Bevollmächtigte kann in eine der in 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann.
- b) Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen i.S.d. 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB durch eine Bevollmächtigung erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde.
- c) Die schriftliche Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber ggf. durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
Vorinstanzen:
LG Mosbach (Beschluss vom 26.01.2016; Aktenzeichen 3 T 7/15)
AG Adelsheim (Beschluss vom 14.10.2015; Aktenzeichen XVII 39/15)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Mosbach vom 26.1.2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000 EUR
- Tatbestand
- Die im Jahre 1941 geborene Betroffene erlitt Ende November 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine PEG-Sonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor die Betroffene infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013.
- Aus der Ehe der Betroffenen mit ihrem - im Februar 2013 verstorbenen - Ehemann sind drei volljährige Töchter (die Beteiligten zu 1 bis 3) hervorgegangen. Bereits am 10.2.2003 hatte die Betroffene eine schriftliche "Patientenverfügung" folgenden Inhalts unterzeichnet:
"Für den Fall, dass ich (...) aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung (...) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. Dagegen wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, - dass ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder - dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, oder - dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder - dass es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt. Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung."
- In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Bevollmächtigte) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht,
"an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (...) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (...) berücksichtigen soll."
- Patientenverfügung und Vollmacht erneuerte die Betroffene am 18.11.2011 wortlautidentisch. Darüber hinaus erteilten die Betroffene und ihr Ehemann sich mit notarieller Urkunde vom 26.2.2003 gegenseitige Generalvollmacht und setzten als Ersatzbevollmächtigte an erster Stelle die Bevollmächtigte und an zweiter Stelle die Beteiligte zu 1) ein. In der Vollmachtsurkunde heißt es u.a.:
"Die Vollmacht berechtigt auch zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, insb. i.S.v. § 1904 BGB. Der Bevollmächtigte kann auch in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen, Krankenunterlagen einsehen und in deren Herausgabe an Dritte einwilligen. (...) Die Vollmacht enthält die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Wir wurden darüber belehrt, dass solche Entscheidungen unter bestimmten engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung legen wir keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen, wenn feststeht, dass eine Besserung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Vollmachtgeber wünschen eine angemessene und insb. schmerzlindernde Behandlung, nicht jedoch die künstliche Lebensverlängerung durch Gerätschaften. Die Schmerzlinderung hat nach Vorstellung der Vollmachtgeber Vorrang vor denkbarer Lebensverkürzung, welche bei der Gabe wirksamer Medikamente nicht ausgeschlossen werden kann."
- Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter, die Beteiligten zu 1) und zu 3), die gegenteilige Meinung.
- Die Beteiligte zu 1) hat daher im März 2015 beim Betreuungsgericht die Anträge "auf Umsetzung der Patientenverfügung und auf Befolgung des Patientenwillens" sowie "auf Entzug des Betreuungsrechtes" der Bevollmächtigten gestellt; die Beteiligte zu 3) hat sich dem angeschlossen. Das AG hat dies als Antrag auf Anordnung einer Kontrollbetreuung ausgelegt und diesen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und die Beteiligte zu 1) "zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der von der Betroffenen (...) erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge, bestellt."
- Hiergegen wendet sich die Bevollmächtigte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.
- Entscheidungsgründe
- Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Bevollmächtigte berechtigt, die Rechtsbeschwerde im eigenen Namen einzulegen. Dies folgt zwar entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde weder aus § 303 Abs. 4 FamFG, der lediglich die Befugnis des Bevollmächtigten zur Einlegung im Namen des Betroffenen regelt, noch aus einer unmittelbaren Beeinträchtigung eigener Rechte i.S.d. § 59 Abs. 1 FamFG (vgl. BGH v. 15.4.2015 - XII ZB 330/14, FamRZ 2015, 1015 Rz. 9 m.w.N.). Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich aber aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, weil die Bevollmächtigte als Tochter der Betroffenen zu dem von dieser Vorschrift genannten Personenkreis gehört, in den vorhergehenden Rechtszügen beteiligt worden ist und die Rechtsbeschwerde jedenfalls auch im Interesse der Betroffenen eingelegt hat (vgl. BGH v. 4.3.2015 - XII ZB 396/14, FamRZ 2015, 843 Rz. 6 ff. m.w.N.).
- Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
I.
- Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung lägen vor. Die Betroffene befinde sich seit zweieinhalb Jahren in einem Zustand massiver Beeinträchtigung der Hirnfunktion, unfähig zur Kommunikation mit der Umwelt. Die Vollmacht stehe der Bestellung eines Kontrollbetreuers nicht entgegen. Wie sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, sei unwiederbringlich ein Dauerschaden am Gehirn der Betroffenen eingetreten. Mithin wäre es die Pflicht der Bevollmächtigten gewesen, den Willen der Betroffenen umzusetzen, die gewünscht habe, dass lebensverlängernde Maßnahmen - zu denen das Befüllen einer gelegten PEG-Sonde mit Nahrung gehöre - unterblieben. Denn es stehe fest, dass aufgrund von Krankheit ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe. Für diesen Fall habe die Betroffene in der Patientenverfügung aber festgelegt, dass die Behandlung und Pflege nur noch auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein solle.
- Davon, dass das Unterlassen der Nahrungszufuhr zu einem qualvollen Verhungern führen werde, sei nach dem Sachverständigengutachten nicht auszugehen. Die fehlende Flüssigkeitszufuhr habe den Ausfall der Nierenfunktion zur Folge, wodurch es zum urämischen Koma mit Bewusstlosigkeit und nachfolgender Beeinträchtigung der Herz-, Kreislauf- und Atemfunktion komme. Durch angemessene palliativmedizinische Versorgung könne unnötigem Leid im Rahmen des Sterbeprozesses wirksam begegnet werden.
II.
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das LG hat zwar entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde eine sog. Kontrollbetreuung i.S.d. § 1896 Abs. 3 BGB angeordnet, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses eindeutig ergibt. Es hat aber zu Unrecht das Vorliegen derer Voraussetzungen bejaht.
- 1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das LG die Beteiligte zu 2) als Bevollmächtigte der Betroffenen i.S.d. § 1896 Abs. 3 BGB für den Bereich der gesamten Gesundheitsfürsorge und insb. auch für Fragen im Zusammenhang mit Fortführung oder Abbruch der künstlichen Ernährung angesehen hat.
- a) Mit der notariellen Urkunde vom 26.2.2003 hat die Betroffene der Beteiligten zu 2) eine Vorsorgevollmacht für den Bereich der Gesundheitsfürsorge erteilt, indem sie ihr die Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung übertragen hat.
- Damit ist die Bevollmächtigte auch ohne Weiteres ermächtigt, zu entscheiden, dass lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen nicht beendet werden. Insoweit muss die Vollmacht nicht den Anforderungen des § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügen. Nach dieser Vorschrift ist einem Bevollmächtigten das Recht, in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff bei Vorliegen der in § 1904 Abs. 1 und 2 BGB genannten besonderen Gefahrensituation einzuwilligen, nicht einzuwilligen oder die Einwilligung zu widerrufen, nur unter der Voraussetzung eingeräumt, dass die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist. § 1904 Abs. 1 BGB erfasst die Einwilligung in Maßnahmen, mit deren Durchführung die begründete Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden ist. Dies ist bei der bloßen Fortführung einer lebenserhaltenden künstlichen Ernährung - anders als bei deren Abbruch (vgl. dazu BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 11 ff. m.w.N.) - gerade nicht der Fall. § 1904 Abs. 2 BGB wiederum betrifft die Unterlassung oder Beendigung von lebenserhaltenden Maßnahmen, nicht jedoch deren Fortführung (zur strafrechtlichen Bewertung vgl. Haas JZ 2016, 714 ff.).
- b) Die der Bevollmächtigten erteilte notarielle Vollmacht würde aber auch zur Abgabe des für die Beendigung der künstlichen Ernährung der Betroffenen erforderlichen Widerrufs der Einwilligung ermächtigen, weil sie die von § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB für die rechtliche Gleichstellung des Bevollmächtigten mit dem Betreuer (§ 1904 Abs. 5 Satz 1 BGB) geforderten Voraussetzungen erfüllt.
- aa) Voraussetzung dafür, dass der Bevollmächtigte nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen kann, ist neben der Schriftform (§ 126 BGB) der Vollmacht, dass diese inhaltlich § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügt. Aus dem Sinn des Gesetzes, dem Vollmachtgeber die Tragweite der Bevollmächtigung deutlich vor Augen zu führen (vgl. Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1904 Rz. 75), folgt zwar nicht, dass der Wortlaut von § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB wiedergegeben werden muss. Nicht ausreichend ist jedoch allein der Verweis auf die gesetzliche Bestimmung, weil ein solcher keine ausdrückliche Nennung der Maßnahmen beinhaltet und damit den mit § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB bezweckten Schutz des Vollmachtgebers (vgl. BT-Drucks. 13/7158, 34; HK-BUR/Bauer [Stand: Oktober 2015] § 1904 BGB Rz. 127) nicht gewährleisten kann (Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1904 Rz. 116). Der Vollmachttext muss vielmehr hinreichend klar umschreiben, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen (vgl. Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1904 Rz. 75).
- Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann (LG Hamburg FamRZ 1999, 1613, 1614; HK-BUR/Bauer [Stand: Oktober 2015] § 1904 Rz. 127; Dodegge/Fritsche NJ 2001, 176, 181; Müller DNotZ 2010, 169, 186; tendenziell ebenso: jurisPK/BGB/Jaschinski [Stand: 7.9.2015] § 1904 Rz. 121; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1.3.2010] § 1904 Rz. 145; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 113, 114 zu § 1904 Abs. 2 BGB a.F.; Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1904 Rz. 74; Diehn FamRZ 2009, 1958; Diehn/Rebhan NJW 2010, 326, 329; Müller DNotZ 1999, 107, 112 zu § 1904 Abs. 2 BGB a.F.).
- (1) Dies legt bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe. In § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB werden als Maßnahmen nicht allgemein die den Bereich der Gesundheitsfürsorge beschreibenden Elemente der Untersuchung des Gesundheitszustands, der Heilbehandlung und des ärztlichen Eingriffs genannt, sondern nur solche, bei denen die dort näher beschriebene begründete Gefahr besteht. Nur auf Maßnahmen mit dieser qualifizierten Gefahrensituation bezieht sich § 1904 BGB, und nur für solche schreibt § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB die besonderen Anforderungen an eine Bevollmächtigung vor.
- (2) Das Erfordernis, dass diese Gefahrenlage in der Vollmacht zum Ausdruck kommt, ergibt sich jedenfalls eindeutig aus dem Gesetzeszweck. Zum einen soll dem Vollmachtgeber durch den Vollmachttext unmissverständlich vor Augen geführt werden, dass er dem Bevollmächtigten (auch) für Situationen, in denen die Gefahr des Todes oder schwerer und länger dauernder Gesundheitsschäden besteht, die Entscheidungsbefugnis überträgt, die dann ggf. auch Fragen der passiven Sterbehilfe umfasst. Zum anderen soll der Vollmachttext es auch Dritten ermöglichen, zweifelsfrei nachzuvollziehen, dass es dem Willen des Betroffenen entspricht, dem Bevollmächtigten die Entscheidung in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge gerade auch in den von § 1904 BGB erfassten Situationen zu überantworten, in denen es buchstäblich um Leben oder Tod geht.
- (3) Dies steht mit dem Willen des Gesetzgebers im Einklang.
- Eine dem § 1904 Abs. 5 BGB vergleichbare Regelung wurde erstmals mit dem Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts und weiterer Vorschriften vom 25.6.1998 (BGBl. I, 1580; Betreuungsrechtsänderungsgesetz - BtÄndG) eingeführt, mit dem der bis zum 31.8.2009 geltende Abs. 2 an § 1904 BGB angefügt wurde. Danach galt § 1904 Abs. 1 BGB auch für Bevollmächtigte, wobei die Einwilligung des Bevollmächtigten nur wirksam war, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt war und die in Abs. 1 Satz 1 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasste. Nach den Gesetzesmaterialien sollte sich die Vollmacht "ausdrücklich - zumindest auch - auf Untersuchungen des Gesundheitszustandes, auf Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe" beziehen (BT-Drucks. 13/7158, 34). Die Bezeichnung der Gefahrensituation war in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht genannt.
- Selbst wenn sich daraus entnehmen ließe, dass der Gesetzgeber ursprünglich die Rechtsmacht zur Einwilligung in eine Maßnahme nach § 1904 Abs. 1 BGB nicht an die Bezeichnung der Gefahrenlage in der Vollmacht knüpfen wollte, wäre dies durch die weitere Gesetzgebung überholt. Mit der zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Neuregelung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29.7.2009 (BGBl. I, 2286; sog. Patientenverfügungsgesetz) hat der Gesetzgeber nicht nur in § 1904 Abs. 2 BGB Regelungen mit Blick auf die sog. passive Sterbehilfe erlassen. Er hat darüber hinaus in § 1904 Abs. 4 BGB auch vorgesehen, dass bei Einvernehmen zwischen Betreuer oder Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung entfällt, und zwar sowohl bei passiver Sterbehilfe als auch in den Fällen des weiter geltenden § 1904 Abs. 1 BGB. Mit der Änderung des § 1904 Abs. 5 BGB wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass von der Vollmacht "Entscheidungen nach den Abs. 1 und 2 ausdrücklich umfasst sind" (BT-Drucks. 16/8442, 19). Solche Entscheidungen sind aber nur diejenigen, bei denen die qualifizierte Gefahrensituation besteht. Damit korrespondiert der Umstand, dass durch die Gesetzesänderung die einem Bevollmächtigten übertragbaren Befugnisse bei gleichzeitiger Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle deutlich erweitert worden sind. Dies verstärkt die mit § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB verbundene Notwendigkeit erheblich, dem Vollmachtgeber die möglichen schwerwiegenden Konsequenzen der Vollmachterteilung und damit auch die besondere Gefahrenlage eindeutig vor Augen zu führen.
- Diese inhaltlichen Anforderungen des § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB an die Vollmacht führen nicht zu einer ungerechtfertigten "Benachteiligung" des Bevollmächtigten gegenüber einem Betreuer (so aber wohl allgemein Spickhoff Medizinrecht 2. Aufl., § 1904 BGB Rz. 18). Denn die Vollmacht erteilt der Bevollmächtigte, ohne dass zuvor zwingend eine rechtliche Beratung oder gar eine gerichtliche Überprüfung hinsichtlich der Eignung des Bevollmächtigten erfolgt. Dann entspricht es aber dem wohlverstandenen Schutz des Vollmachtgebers, ihm durch die Vollmacht selbst zu verdeutlichen, dass er dem Bevollmächtigten die Entscheidung über sein Schicksal in ganz einschneidenden Gefahrenlagen anvertraut. Demgegenüber hat der Betreuerbestellung eine umfassende gerichtliche Prüfung vorauszugehen, wegen der es keines weiteren Schutzes vor einer unüberlegten Übertragung der entsprechenden Rechtsmacht auf den Betreuer als den Dritten bedarf.
- bb) Ob die von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, kann aber letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt den gesetzlichen Anforderungen.
- (1) Indem die mit "Vollmacht" überschriebenen Texte vom 10.2.2003 und vom 18.11.2011 auf die jeweils in derselben Urkunde enthaltenen und von der Unterschriftsleistung mit erfassten "Patientenverfügungen" Bezug nehmen, in denen lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen ebenso wie ihre Vornahme und ihr Unterbleiben ausdrücklich genannt sind, werden die Maßnahmen zwar in einer § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB genügenden Weise umschrieben. Der jeweilige Text der Vollmacht enthält jedoch lediglich die Ermächtigung, an Stelle der Betroffenen die erforderlichen Entscheidungen mit den Ärzten "abzusprechen". Dabei soll die Bevollmächtigte den in der Patientenverfügung geäußerten Willen "einbringen" sowie "Einwendungen vortragen", die die Ärzte dann "berücksichtigen" sollen.
- Dies könnte dahin zu verstehen sein, dass der Bevollmächtigten in diesen Urkunden nicht das Recht zur Letztentscheidung übertragen ist, das allein der Befugnis der (noch) einwilligungsfähigen Betroffenen entsprechen würde, im Außenverhältnis ggf. auch gegen ärztlichen Rat über die Frage von Erfolgen oder Unterbleiben der in § 1904 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB genannten Maßnahmen zu entscheiden. Denn nach ihrem Wortlaut beinhaltet die Vollmacht jeweils lediglich die Ermächtigung der Bevollmächtigten zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise. Dies entspräche nicht der § 1904 Abs. 1 bis 4 BGB zugrunde liegenden Rechtsmacht des Betreuers, die (Nicht-)Einwilligung oder den Widerruf der Einwilligung abzugeben. Vielmehr würde es allenfalls die den Bevollmächtigten bei Vorliegen einer Patientenverfügung allgemein nach § 1901a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 BGB treffende Pflicht abdecken, dem Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen.
- (2) Jedenfalls die notarielle Vollmacht vom 26.2.2003 überträgt der Bevollmächtigten aber zweifelsfrei die Entscheidungsbefugnis im Bereich der Gesundheitsfürsorge und bedient sich dabei teilweise des Wortlauts von § 1904 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB, indem Untersuchung des Gesundheitszustands, Heilbehandlung und ärztlicher Eingriff sowie die Einwilligung - nebst Verweigerung und Zurücknahme - benannt sind. Darüber hinaus ist in der Vollmacht ausdrücklich die Befugnis aufgeführt, über den Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen zu entscheiden, womit zugleich auch die mit dem Widerruf der Einwilligung verbundene begründete Gefahr des Todes und damit die von § 1904 Abs. 2 BGB insoweit erfasste besondere Gefahrensituation ausreichend deutlich im Text bezeichnet ist.
- 2. Im Grundsatz zutreffend geht das LG weiter davon aus, dass gem. § 1896 Abs. 3 BGB ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt und unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Widerruf der Vollmacht ermächtigt werden kann.
- a) Mit einer Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und ggf. die Vollmacht zu widerrufen. Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - XII ZB 624/14, FamRZ 2015, 2163 Rz. 14 f. m.w.N.).
- Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - XII ZB 624/14, FamRZ 2015, 2163 Rz. 16 m.w.N.).
- b) Dem Kontrollbetreuer kann auch der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf übertragen werden. Dies setzt tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (BGH, Beschl. v. 23.9.2015 - XII ZB 624/14, FamRZ 2015, 2163 Rz. 17 m.w.N.).
- 3. Entgegen der Annahme des LG sind bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabs die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung mit Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf hier aber nicht erfüllt. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf nicht ausreichend genügt wird, und Umstände, die die Ermächtigung zum Widerruf einer Vollmacht rechtfertigen, können sich zwar grundsätzlich auch im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bevollmächtigten zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen i.S.d. § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB ergeben (vgl. Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1904 Rz. 121). Hierfür müsste sich der Bevollmächtigte offenkundig über den - insb. in einer Patientenverfügung niedergelegten - Willen des Betroffenen hinwegsetzen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
- a) Die den Bevollmächtigten treffenden Pflichten bei der Entscheidung darüber, ob lebensverlängernde Maßnahmen erfolgen sollen, folgen aus der Systematik der §§ 1901a, 1901b, 1904 BGB.
- aa) Der Bevollmächtigte muss nach § 1901a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BGB prüfen, ob eine eigene, in einer Patientenverfügung im Sinne der Legaldefinition des § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegte Entscheidung des Betroffenen vorliegt und ob diese auf die aktuell eingetretene Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen zutrifft. In diesem Zusammenhang hat der Bevollmächtigte auch zu hinterfragen, ob die Entscheidung noch dem Willen des Betroffenen entspricht, was die Prüfung einschließt, ob das aktuelle Verhalten des nicht mehr entscheidungsfähigen Betroffenen konkrete Anhaltspunkte dafür liefert, dass er unter den gegebenen Umständen den zuvor schriftlich geäußerten Willen nicht mehr gelten lassen will, und ob er bei seinen Festlegungen diese Lebenssituation mitbedacht hat (vgl. BT-Drucks. 16/8442, 14/15). Dabei hat er gem. § 1901b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB die Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens mit dem behandelnden Arzt zu erörtern; nach § 1901b Abs. 2 und 3 BGB soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/8442, 15).
- Liegt eine wirksame und auf die aktuelle Situation zutreffende Patientenverfügung vor, hat der Betroffene die Entscheidung selbst getroffen. Dem Bevollmächtigten obliegt es dann gem. § 1901a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 14 m.w.N.). Anderenfalls hat der Bevollmächtigte gem. § 1901a Abs. 2 und 5 BGB die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen (vgl. dazu BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 25 ff. m.w.N.), hierbei wiederum §§ 1901a, 1901b BGB zu beachten und auf dieser Grundlage zu entscheiden.
- Dabei kann es im Einzelfall schwierig oder auch unmöglich sein, den Behandlungswillen eines entscheidungsunfähigen Betroffenen festzustellen (BT-Drucks. 16/8442, 12). Kann ein auf die Durchführung, die Nichteinleitung oder die Beendigung einer ärztlichen Maßnahme gerichteter Wille des Betroffenen auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen nicht festgestellt werden, gebietet es das hohe Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem Wohl des Betroffenen zu entscheiden und dabei dem Schutz seines Lebens Vorrang einzuräumen (BT-Drucks. 16/8442, 16).
- bb) Besteht zwischen dem Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber, welche Vorgehensweise dem Willen des Betroffenen nach § 1901a Abs. 1 und 2 BGB entspricht, bedarf selbst eine Maßnahme i.S.d. § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 1904 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 BGB). Einen Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch etwa einer künstlichen Ernährung als lebensverlängernder Maßnahme müsste das Betreuungsgericht dann ohne weitere gerichtliche Ermittlungen ablehnen und ein sog. Negativattest erteilen, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 20). Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt sein, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist.
- Dem Schutz des Patienten vor einem etwaigen Missbrauch der Befugnisse des Bevollmächtigten wird zum einen dadurch Rechnung getragen, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bei der Entscheidungsfindung stattfindet. Zum anderen kann jeder Dritte, insb. Ehegatte, Lebenspartner, Verwandter oder Vertrauensperson des Betreuten, aufgrund des Amtsermittlungsprinzips im Betreuungsverfahren jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Entscheidung des Bevollmächtigten in Gang setzen (vgl. BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 18; BT-Drucks. 16/8442, 19).
- cc) Darüber hinaus kann zum einen die Patientenverfügung Näheres zu den Pflichten des Bevollmächtigten bei der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen regeln, etwa dass sie trotz konkreter Entscheidungen nicht unmittelbar gelten soll, sondern der Bevollmächtigte immer die Entscheidung über die Behandlung zu treffen und welchen Entscheidungsspielraum er hierbei hat (BT-Drucks. 16/8442, 15). Zum anderen kann auch die Vollmacht weitere Pflichten des Bevollmächtigten festlegen oder Pflichten und Befugnisse in ihrem Umfang näher konkretisieren.
- b) Bei der Beurteilung, ob mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf Genüge getan wird und ob bei Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht sogar - wie für die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf erforderlich - eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere zu befürchten ist, muss die gesetzgeberische Wertung zum Pflichtenprogramm des Bevollmächtigten und zur gerichtlichen Kontrolldichte von Entscheidungen bei lebensverlängernden Maßnahmen Berücksichtigung finden.
- Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in §§ 1901a und b, 1904 BGB das Ziel verfolgt, dem Betroffenen eine vorsorgende privatautonome Entscheidung der Fragen zu ermöglichen, die sich im Zusammenhang mit ärztlichen Maßnahmen zu einem Zeitpunkt stellen können, in dem der Betroffene zu einer eigenen rechtlich maßgeblichen Entscheidung mangels Einwilligungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist. Hierfür hat er einerseits die Möglichkeit der Patientenverfügung vorgesehen; andererseits kann der Betroffene eine Vertrauensperson mit der Umsetzung des Willens, aber auch mit einer eigenständigen Entscheidung auf der Grundlage des mutmaßlichen Willens des Betroffenen bevollmächtigen. Dem Grundsatz nach soll bei Vorliegen einer wirksamen Vollmacht eine betreuungsgerichtliche Befassung auf die Fälle des Konflikts zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt beschränkt und ansonsten lediglich eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen sein. Dieser gesetzgeberischen Wertung ist auch bei der Beurteilung der Frage, ob es einer Kontrollbetreuung - ggf. mit der Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - bedarf, Rechnung zu tragen. Anderenfalls würde die durch die Instrumente der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung erfolgte Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen über den Umweg der Kontrollbetreuung wieder entwertet.
- Daraus erhellt, dass ein Kontrollbetreuer erst dann bestellt werden darf, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde. Dies wird gerade bei Einvernehmen zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt nur selten der Fall sein. Bedeutung erlangt insoweit zum einen, wie verlässlich der Wille des Betroffenen ermittelt werden kann und inwieweit seine Äußerungen einer Wertung zugänglich sind. Zum anderen ist auch in den Blick zu nehmen, ob der Betroffene die Bindungswirkung seiner etwaigen Willensäußerung für den Bevollmächtigten eingeschränkt hat.
- c) Dass die Bevollmächtigte sich in dieser Weise über den Willen der Betroffenen hinwegsetzt, wenn sie in den Abbruch der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde nicht einwilligt, wird von den Feststellungen des LG nicht getragen.
- aa) Die Betroffene hat entgegen der der Beschwerdeentscheidung offensichtlich zugrunde liegenden Annahme keine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB erstellt, der sich eine in der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation bindende Entscheidung für die Fortführung oder den Abbruch der künstlichen Ernährung entnehmen lässt.
- (1) Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt (BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 29).
- Die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung (vgl. BT-Drucks. 16/8442, 15; Palandt/Götz BGB, 75. Aufl., § 1901a Rz. 5). Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber ggf. durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen.
- (2) Danach kommen sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht. Sie beziehen sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen, sondern benennen ganz allgemein "lebensverlängernde Maßnahmen". Auch im Zusammenspiel mit den weiteren Angaben ergibt sich nicht die für eine Patientenverfügung zu verlangende bestimmte Behandlungsentscheidung. Die notarielle Vollmacht bezeichnet mit einer "zum Tode führenden Krankheit" eine bei der Betroffenen nicht vorliegende Behandlungssituation. Die "Patientenverfügungen" stellen alternativ auf vier verschiedene Behandlungssituationen ab. Gerade die vom LG angenommene eines schweren Dauerschadens des Gehirns ist so wenig präzise, dass sie keinen Rückschluss auf einen gegen konkrete Behandlungsmaßnahmen - hier die künstliche Ernährung mittels PEG-Sonde - gerichteten Willen der Betroffenen erlaubt.
- bb) Die Bevollmächtigte hat bei der Ermittlung von auf den Abbruch oder die Fortsetzung der künstlichen Ernährung bezogenen Behandlungswünschen bzw. des mutmaßlichen Willens der Betroffenen (§ 1901a Abs. 2 BGB) keine eine Kontrollbetreuung rechtfertigenden Pflichtverstöße begangen. Insbesondere ist sie ihrer aus § 1901b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB folgenden Pflicht nachgekommen, die ärztliche Maßnahme mit der behandelnden Ärztin zu erörtern. Nach den Feststellungen des AG steht sie mit dieser im engen Kontakt und hat die Entscheidung mit ihr abgesprochen, also Einvernehmen darüber erzielt, dass ein auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen nicht feststellbar ist. Wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt, besucht sie die Betroffene regelmäßig, so dass sie sich ein Bild über die aktuelle Situation machen kann.
- Tatrichterliche Feststellungen dazu, ob die Bevollmächtigte auch nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen der Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung gegeben und so § 1901b Abs. 2 und 3 BGB genügt hat, liegen zwar nicht vor. Bei dieser Regelung handelt es sich nach dem eindeutigen Wortlaut jedoch lediglich um eine Soll-Vorschrift, deren Nichtbeachtung nicht zur Rechtswidrigkeit der (Nicht-)Einwilligung des Bevollmächtigten führt (Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1901b Rz. 9). Zudem erlegt die "Patientenverfügung" der Bevollmächtigten vorliegend nur eine Absprache mit der behandelnden Ärztin, nicht aber mit sonstigen Dritten auf (vgl. auch Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1901a Rz. 57).
- cc) Die bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von der Bevollmächtigten gefundene Ergebnis offenkundig dem - als Behandlungswunsch geäußerten oder mutmaßlichen - Willen der Betroffenen widerspricht.
- (1) Ein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch der Betroffenen i.S.d. § 1901a Abs. 2 BGB ist vom LG nicht festgestellt und insb. den von der Betroffenen unterzeichneten Schriftstücken nicht zu entnehmen.
- Einen solchen Behandlungswunsch können alle Äußerungen eines Betroffenen darstellen, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB nicht genügen, etwa weil sie nicht schriftlich abgefasst wurden, keine antizipierenden Entscheidungen treffen oder von einem minderjährigen Betroffenen verfasst wurden. Auch eine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB, die jedoch nicht sicher auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betroffenen passt und deshalb keine unmittelbare Wirkung entfaltet, kann als Behandlungswunsch Berücksichtigung finden. Behandlungswünsche sind insb. dann aussagekräftig, wenn sie in Ansehung der Erkrankung zeitnah geäußert worden sind, konkrete Bezüge zur aktuellen Behandlungssituation aufweisen und die Zielvorstellungen des Patienten erkennen lassen. An die Behandlungswünsche des Betroffenen ist der Bevollmächtigte nach § 1901a Abs. 2 und 3 BGB gebunden (BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 25). Für die Annahme eines Behandlungswunsches ist ein mit einer Patientenverfügung vergleichbares Maß an Bestimmtheit zu verlangen. Wann eine Maßnahme hinreichend bestimmt benannt ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Ebenso wie eine schriftliche Patientenverfügung sind auch mündliche Äußerungen des Betroffenen der Auslegung zugänglich (BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 30).
- Hier fehlt es der in den beiden handschriftlichen Patientenverfügungen sowie in der notariellen Vollmacht enthaltenen Bezeichnung "lebensverlängernde Maßnahmen" auch unter Berücksichtigung der weiteren in den Schriftstücken enthaltenen Angaben an der für einen auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Behandlungswunsch erforderlichen Bestimmtheit. Das Vorliegen eines mündlich geäußerten Behandlungswunschs hat das LG nicht geprüft.
- (2) Dass der mutmaßliche Wille der Betroffenen eindeutig auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtet wäre, ist derzeit nicht feststellbar.
- Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist abzustellen, wenn sich sein auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation bezogener Wille nicht feststellen lässt. Der mutmaßliche Wille ist anhand konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, insb. anhand früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen (die jedoch keinen Bezug zur aktuellen Lebens- und Behandlungssituation aufweisen), ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen (§ 1901a Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB). Der Bevollmächtigte stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn er noch über sich selbst bestimmen könnte (BGH BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rz. 26).
- Die Rechtsbeschwerde verweist hierzu mit Recht zum einen darauf, dass die Betroffene der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde zu der Zeit, als sie selbst noch kommunikationsfähig war, nicht widersprochen hat, und zum anderen auf die von der Betroffenen bei der erstinstanzlichen Anhörung gezeigten Reaktionen, die im Übrigen auch der Schilderung der Betreuungsbehörde entsprechen. Hinzu kommt, dass die Betroffene nach dem Text der zuletzt im November 2011 und damit kurz vor dem Hirnschlag erteilten privatschriftlichen Vollmacht ihren in der "Patientenverfügung" geäußerten Willen lediglich in den Entscheidungsprozess eingebracht und berücksichtigt wissen wollte, woraus eine nur eingeschränkte Bindung und ein weiter Ermessensspielraum der Bevollmächtigten bei der im Dialog mit der behandelnden Ärztin zu findenden Entscheidung folgen. Zudem lässt die "Patientenverfügung" mit der Anknüpfung an die "Erhaltung eines erträglichen Lebens" und an die "angemessenen Möglichkeiten" sowie mit dem unscharfen Begriff des "schweren" Dauerschadens einen weiten Interpretationsspielraum. Dass die Bevollmächtigte diesen nur in dem vom LG vertretenen Sinne, also auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtet, hätte ausfüllen dürfen, ist nicht ansatzweise ersichtlich.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Dass nach Einschätzung des Sachverständigen ein "Dauerschaden des Gehirns" der Betroffenen eingetreten und bei Einstellung der künstlichen Ernährung nicht mit einem "qualvollen Verhungern" zu rechnen ist, erlaubt keinen Rückschluss auf einen gegen die Fortführung der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willen der Betroffenen.
- d) Soweit das LG die Kontrollbetreuung über die mit der Entscheidung über Abbruch oder Fortführung der künstlichen Ernährung zusammenhängenden Fragen hinaus auf die gesamte Gesundheitsfürsorge erstreckt hat, hat das aus Rechtsgründen ebenfalls keinen Bestand. Es wird weder im angefochtenen Beschluss aufgezeigt noch ist anderweitig ersichtlich, dass insoweit die Voraussetzungen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung vorliegen. Der Begründung der Beschwerdeentscheidung sind Erwägungen allein im Zusammenhang mit der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen, nicht aber bezogen auf die übrige Gesundheitsfürsorge zu entnehmen. Dass die Bevollmächtigte ihre Vollmacht in den Angelegenheiten der sonstigen Gesundheitsfürsorge nicht zum Wohl der Betroffenen ausgeübt hätte, haben nicht einmal die Beteiligten zu 1) und zu 3) behauptet.
III.
- Danach ist der angefochtene Beschluss gem. § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und daher gem. § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
- Dieses wird der Frage nachzugehen haben, ob die in den schriftlichen Stellungnahmen der Beteiligten zu 1) und zu 3) sowie der Schwester und der Cousine der Betroffenen behaupteten Äußerungen der Betroffenen gefallen sind und ob sich ihnen Behandlungswünsche oder - falls das nicht der Fall ist - jedenfalls Hinweise auf den mutmaßlichen Willen der Betroffenen entnehmen lassen. Außerdem gibt die Zurückverweisung dem LG die Gelegenheit, die - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt - bislang rechtsfehlerhaft im Beschwerdeverfahren unterbliebene persönliche Anhörung der Betroffenen nachzuholen. Nur wenn nach den weiteren Ermittlungen trotz des weiten Ermessensspielraums der Bevollmächtigten und der für die Auffassung der Bevollmächtigten sprechenden Umstände offenkundig sein sollte, dass die Bevollmächtigte sich über den auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Willen der Betroffenen hinwegsetzen würde, lägen die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung vor. Das LG wird sich dann auch mit den Einwänden der Rechtsbeschwerde zur Betreuerauswahl und dazu, ob die Voraussetzungen für die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht vorliegen, auseinanderzusetzen haben (vgl. BGH BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rz. 33 ff.).